Praxis Kochetkova
Fachärztin für Allgemeinmedizin
Hausarztzentrierte Versorgung (HzV)
Hausarztzentrierte Versorgung (HzV) beschreibt eine Form der medizinischen Versorgung in Deutschland, in der der Hausarzt als erste Anlaufstelle für den Patienten sämtliche Behandlungsschritte koordiniert. Er nimmt damit die Funktion eines Lotsen wahr. Die Versorgungsforschung verbindet damit zwei Ziele: Zum einen soll der Patient besser versorgt werden, zum anderen lässt sich durch die Koordinierung insgesamt Geld sparen.
Die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland sind verpflichtet, ihren Versicherten eine HzV anzubieten. Viele Kassen haben Verträge mit Ärztegruppen abgeschlossen und ermöglichen ihren Versicherten die Teilnahme an Hausarztmodellen oder Hausarztprogrammen. Für die Versicherten und die Hausärzte ist die Teilnahme freiwillig. Der Versicherte verpflichtet sich dabei für mindestens ein Jahr, bei gesundheitlichen Problemen immer zuerst seinen Hausarzt aufzusuchen. Ausgenommen sind zumeist Notfälle sowie Besuche beim Gynäkologen, beim Augen-, Zahn-, Kinder- und Jugendarzt sowie Erkrankungen außerhalb des geographischen Tätigkeitsbereichs des Hausarztes. Der Hausarzt übernimmt die Behandlung, überweist bei Bedarf an andere Fachärzte bzw. Krankenhäuser und hat idealerweise einen umfassenden Überblick über die Krankengeschichte des Patienten sowie die vorgenommenen Behandlungen. Die „Lotsenfunktion“ soll Mehrfachuntersuchungen und -behandlungen, vermeidbare Wechselwirkungen von Arzneimitteln, Interpretationsfehler isoliert arbeitender Spezialisten sowie unnötige Besuche bei anderen Ärzten und unnötige Krankenhauseinweisungen vermeiden.
Vor Einführung der Krankenversicherungskarte musste mit dem Krankenschein jeweils erst der Hausarzt aufgesucht werden, welcher gegebenenfalls Überweisungen zum Facharzt ausstellte. Die Einführung der Chipkarte führte zu vermehrten Arztwechseln und dadurch zu höheren Kosten.
Insgesamt nehmen in Deutschland knapp 17.000 Hausärzte sowie circa vier Millionen Versicherte an der HzV teil.
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Die Krankenkassen können den Versicherten einen oder mehrere Vorteile gewähren, zum Beispiel reduzierte Zuzahlungen in den Apotheken oder zusätzliche Vorsorgeleistungen beim Arzt (z. B. Laborwerte, Risikoberatungen, vorgezogenes Hautkrebsscreening, pAVK Screening, Arzneimitteltherapieoptimierung, Geriatrisches Basisassessment u.v. anderes mehr je nach Kasse). Zudem bieten die an der HzV teilnehmenden Praxen häufig zusätzliche Früh- und Abendterminsprechstunden für berufstätige HzV-Versicherte an und erklären sich des Weiteren dazu bereit, die Wartezeit des an der HzV teilnehmenden Patienten auf möglichst maximal 30 Minuten zu begrenzen.
Der Hausarzt kann für den Patienten sinnvolle (z. B. o. g.) Leistungen zusätzlich erbringen und abrechnen und erhält meist eine höhere Grundpauschale (Pauschale für alle in einem Quartal anfallenden Behandlungsanlässe), was im Vergleich zur regulären, gesetzlichen Versicherung bei für den Patienten gleichem Versicherungsbeitrag durch die bessere Vergütungsstruktur einen Beitrag zum Erhalt der ländlichen Hausarztpraxen und damit auch der flächendeckenden medizinischen Versorgung darstellt. Dies ist insbesondere relevant, da die Zahl der zur Patientenversorgung benötigten Hausärzte vor allem im ländlichen Raum, aber auch in strukturschwachen Ballungsgebieten abnimmt, wie der Sachverständigenrat im Gesundheitswesen (SVR) in einem Gutachten bestätigt.[1] Die Beziehung zum Haus- und Familienarzt wird gestärkt. Der Hausarzt kennt den Patienten seit Jahren, teilweise seit Jahrzehnten, wodurch er wesentliche Aspekte der psychosozialen Betreuung (sog. hermeneutisches Fallverständnis) in seine Behandlung einfließen lassen kann.
Der „Ärztetourismus“ wird reduziert, was Fehlbehandlungen (z. B. durch Medikamentenwechselwirkungen oder Unkenntnis relevanter Vorbefunde), Doppeluntersuchungen oder Übertherapie (z. B. zu frühzeitige Operationen, sog. hausärztlich, quartäre Prävention) vermeidet. Das Sammeln und Sichern der Befunde an einem Ort sorgt zudem dazu, dass der behandelnde Hausarzt den Überblick über alle erforderlichen Untersuchungen und Behandlungen behalten kann.
Dadurch, dass Hausärzte mindestens 80 Prozent der Fälle in ihren Praxen abschließend klären, können sich die Fachärzte auf schwerere Erkrankungen ihres Gebietes konzentrieren, was bedürftigen Patienten einen schnelleren Facharzttermin sichert.
Durch Leistungen wie das poststationäre Überleitmanagement wird auch die nach Krankenhausentlassung notwendige Koordination der für die Weiterbehandlung notwendigen Disziplinen verbessert. Auch suboptimale Krankenhausbehandlungen können durch die genaue Patientenkenntnis oftmals frühzeitig erkannt und durch den Hausarzt korrigiert werden.
Durch die einfache Struktur des Vergütungssystems mit Einzelleistungen, Pauschalen und Zuschlägen kann die Praxisbürokratie reduziert werden, wodurch dem Hausarzt mehr Zeit für die Patientenversorgung bleibt. Die HzV-Vergütungen werden je nach Kasse zur Mitte oder am Ende jeden Monats ausbezahlt. Zusätzlich geht der Einsatz einer „Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis“ (Verah) im Rahmen der Verträge zur Hausarztzentrierten Versorgung regelmäßig mit einer Extravergütung einher.
Um an der HzV teilzunehmen, müssen Hausärzte einige Voraussetzungen, darunter Qualifikations- und Qualitätsanforderungen, erfüllen. Hierzu zählen die Berechtigung zur Erbringung psychosomatischer Leistungen ebenso wie die Berechtigung zur Fortbildung „Hausärztliches Geriatrisches Basisassessment“. Des Weiteren sind sie in der Regel auch zur aktiven Beteiligung an hausärztlich relevanten Disease-Management-Programmen (DMP) verpflichtet. In der HzV eingeschriebene Hausärzte müssen darüber hinaus an hausarztspezifischen Fortbildungen teilnehmen. Hierzu zählt die jährliche Teilnahme an mehreren strukturierten hausärztlichen Qualitätszirkeln zur Arzneimitteltherapie. Auch Weiterbildungen zu besonderen, hausärztlich relevanten Themen sind im Rahmen der Fortbildungspflicht während der HzV-Vertragsteilnahme zu besuchen. Dazu zählen unter anderem patientenzentrierte Gesprächsführung, psychosomatische Grundversorgung und Palliativmedizin. Die im Rahmen der besonderen HzV-Fortbildung gesammelten Fortbildungspunkte, werden für die Erfüllung der o. g. gesetzlichen Fortbildungspflicht gemäß § 95d SGB V angerechnet. Ziel dieser Qualitätsanforderungen ist es, sicherzustellen, dass sich die an der HzV teilnehmenden Hausärzte auf dem aktuellen Stand des medizinischen Wissens befinden.